Neun Mythen rund um Usability und SEO

Neun Usability-und SEO-MythenEin digitales Angebot ist ein Produkt und wie jedes Produkt soll es dem Nutzer einen praktischen Mehrwert bieten. Es muss geil sein, damit es täglich gerne verwendet wird. Was gut funktioniert und was schlecht, kann man in der digitalen Welt sehr gut messen, dennoch wird häufig nicht am eigenen Projekt optimiert, sondern anhand von  allgemeinen Studien und Erkenntnissen ver(schlimm)bessert. Dabei treten immer wieder die gleichen Mythen rund um Usability und SEO hervor.

Diese interpolierten Ergebnisse können jedoch zu fatalen Fehleinschätzungen führen. Aus Studien werden Schlussfolgerungen gezogen. Das ist gut und richtig so, aber diese Ableitungen müssen immer im Kontext ihrer Entstehung betrachtet werden. Wer sich länger mit Studien zu einer bestimmten Problematik befasst, kommt zu dem Schluss: die einen kommen zu einem Ergebnis A, die anderen beweisen das Gegenteil. Deshalb sollten die Aussagen immer kritisch hinterfragt werden!

Ein paar Beispiele für diese Mythen:

  • Bezahlvorgang muss so kurz wie möglich sein, sonst steigt der Nutzer aus

Wenn in einem Shop für Kinotickets der komplette Checkout auf einer Seite abgefeiert wird, kann das gut funktionieren. Der User hat Karten für definierte Sitzplätze zu einer Zeit X in Kino Y geordert. Alles, was er will ist diesen Kauf abschließen. Ebenso mag dies für Fahrkarten gelten. In beiden Fällen stellt die Nutzungssituation auf eine schnelle Conversion ab.

Wie sieht es aber aus, wenn die Nutzungssituation anders ist. Wenn der Kauf am Büroschreibtisch oder entspannt auf dem Sofa stattfindet oder wenn der Warenkorb ein paar Tausend Euro schwer ist? Gerade Nutzer, für die der Onlinekauf nicht alltäglich ist, kommen in der Regel mit einem gut geführten, mehrseitigen Checkout besser klar, als mit einer überfüllten einseitigen Eingabemaske.

  • Social Sharing auf möglichst vielen Kanälen

Onlineinhalte sollen eine maximale Verbreitung finden. Mögen die User einen Inhalt, wollen sie ihn auch mit ihren Freunden und Bekannten teilen. Um diesem Wunsch Rechnung zu tragen, binden Publisher Social-Sharing-Funktionen ein. Da man nicht weiß, auf welchen Kanälen ein User unterwegs ist, werden Drittanbieter wie Addthis oder Sharethis genutzt, die sehr sehr viele Netzwerke anbinden. Aber vielleicht teilt der User dann gar nichts, weil ihn die Auswahl bildlich erschlägt.

Sinnvoller ist es, sich auf die wesentlichen Social-Media-Kanäle zu beschränken. Welche das sind, kommt auf das einzelne Produkt an. Für deutsche Sites genügen in der Regel Facebook, Twitter und Google+.  Ein Pinterest-Sharing ist eigentlich auch nur bei Fotos und Grafiken sinnvoll, bei normalen Artikeln eher nicht. Grundsätzlich würde ich keine Kanäle einbinden, auf denen meine Site/mein Produkt nicht bewusst vertreten ist.

  • User wollen nicht scrollen

Der Nutzer ist ein fauler Hund. Er schaut auf den Monitor und nimmt nur wahr, was da ad hoc im sichtbaren Bereich steht. Was er da nicht findet, gibt es nicht, denn er scrollt nicht. In der Folge muss alles, was der User wahrnehmen soll, im sichtbaren Bereich liegen.

Das ist zwar eine interessante These. Sie hat aber einen problematischen Geburtsfehler. Sie widerspricht nämlich Tatsachen, die in zahlreichen Untersuchungen festgestellt  wurden. Demnach ist der Nutzer durchaus bereit zu scrollen.

Zwar sollten wichtige Elemente schon auf den ersten Blick sichtbar sein, aber man muss längst nicht alle Infos in diesen relativ kleinen Ausschnitt packen. Mittels visueller Elemente lässt sich ja auch der Blick des Nutzers ein Stück weit steuern.

  • User wollen nicht blättern

Die Bereitschaft von Usern längere Beiträge durchzuklicken, ist je nach Zielgruppe und Thema unterschiedlich groß. Wenn ich beispielsweise eine Sammlung der 30 romantischsten Songs für einen schönen Abend zu zweit durchblättern soll, bin ich dazu durchaus bereit, sofern die Seite insgesamt schnell genug performt.

Lese ich dagegen eine Zusammenfassung der neuesten Google-Innovationen, die auf der IO vorgestellt wurden, dann bin ich weniger bereit, alle fünf Sätze zu klicken. Ich fühle mich verhohnepiepelt und nehme tendenziell den Aufwand auf mich und suche bei Google nach einem besseren Beitrag, bei dem ich weniger klicken muss.

Es kommt auf die Bedürfnislage an. Ist der Content genau das, was ich suche, hält er sein Versprechen ein und ist mein Wunsch den Inhalt „aufzusaugen“ groß genug, klicke ich auch wie der Teufel. Aber auch der beste Artikel bringt mich an einem Schmerzgrenze: Für 30 Windows-Tipp will ich nicht zwölf Seiten durchklicken und mir da noch einen absuchen.

  • Bilder zum Content müssen sein

Als Eyecatcher zieht ein Bild das Auge des Nutzers an. Mit geschickt platzierten Bildern kann man also die Aufmerksamkeit des Nutzers steuern. Außerdem sind Bilder gut fürs Ranking. Beiträge mit Bildern ranken besser als Beiträge ohne.

In all diesen Aussagen steckt ein wahrer Kern. Bilder sind sinnvoll, wenn sie „gut“ sind und richtig eingesetzt werden. Gut bedeutet in diesem Fall, dass das Bild zunächst einmal unique ist und gut zum Inhalt des Beitrags passt oder umgekehrt 😉 Dann können Bilder auch als „Rankinghilfe“ wirken.

Einfach irgendein Bild zu verwenden, nur um den Platzhalter Bild auszufüllen, halte ich für Unfug. Gewöhnlich wird dann Material aus einer Bilddatenbank gezogen oder ein Logo eingebaut. Im Falle des Logos hat man wenigstens einen Wiedererkennungswert, aber Logos sind per se nicht cool genug, um damit zu ranken. Viel besser sind da schon Kollagen.

Mit Bildern lässt sich das Auge des Nutzers leiten. Hierfür kann man sich sehr gut bei den Bilderdiensten bedienen. Das Bild muss aber zur Seite und zur Aufgabe passen. Am besten testet man ein paar Bilder parallel und optimiert daran weiter.  Ist das Ziel eine Konversion, müssen Bildinhalt, Größe und Platzierung passen.

  • SEO und UX zusammen funktioniert nicht

Beinahe schon traditionell wird behauptet, dass die Vorstellungen von User Experience und SEO sehr weit auseinander liegen. Kein SEO wird gute UX-Argumente von der Hand weisen. Da in der Regel beide Bereiche das gleiche Ziel verfolgen, ist es sinnvoll die Kompetenz beider zu nutzen. Nur so lässt sich das Optimum erreichen. In der Praxis haben viele SEOs ein recht profundes UX-Wissen (nicht zuletzt weil sehr viele mit Affiliate Geld verdienten oder verdienen) und arbeiten sehr gern mit Usability-Experten zusammen, weil beide davon profitieren.

  • Keep it simple

“Keep it simple” oder “Don’t make me think” (von Steve Krug) sind Designgrundsätze, die sich vielfach bestätigt haben. Ein (digitales) Produkt ist dann besonders gut, wenn der Nutzers es intuitiv bedienen kann. Deshalb ist es immer zielführend, Klickdummies, erste Prototypen und auch das finale Produkt vorab von unbedarften Usern testen zu lassen.

Einige Usability-Probleme kann man mit kühler Betrachtung erkennen, andere bleiben dagegen für den „Insider“, der das Projekt kennt, unentdeckt. Er kann es nicht erkennen, denn er hat einfach zu viel Detailwissen.

Ein Beispiel dafür: In vielen Callback-Formularen werden Telefonnummern abgefragt. Kaum einer macht sich jedoch Gedanken, in welcher Form diese am besten erfasst werden sollen. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie Nutzer eine Telefonnummer eintragen:
a) +491234567890
b) +49 1234 567890
c) 00491234567890
d) 0049 1234 567890
e) 01234567890
f) 01234 567890
g) (01234) 567890
h) 01234-56789-0

Um nur einige zu nennen. Dabei sind zwei Ziele zu verfolgen: erstens soll der Nutzer das Formular auf Anhieb erfolgreich absenden und zweitens müssen die Daten sauber in eine Datenbank einfließen aus der ein Sales-Mitarbeiter sie entsprechend ausliest.

Eine einfache Möglichkeit, um eine erfolgreiche Eingabe zu evozieren, ist es, dem Nutzer ein Beispiel am Eingabefeld zu geben, an dem er sich orientieren kann. Bei Formularen, die eine finale Übersicht der Usereingaben vor dem Submit beinhalten, kann man zudem eine technische Lösung einsetzen, die die Eingabe in das gewünschte Format bringt und sich dann die korrekte Eingabe vom User bestätigen lässt.

Manche Hürden baut man dem User eher beiläufig aus. Beispiel Zahlungsdaten: Vom Überweisungsträger kennt man die Abfrage von: Kontoinhaber, Kontonummer, Bankleitzahl, Bankinstitut etc pp. Und genau das landet dann im Zahlungsdatenformular. Nötig ist das eigentlich nicht, denn die Bankleitzahlen enthalten das Institut. Die Angabe ist also erlässlich. Ein ähnliches Phänomen gibt es bei den Kreditkarten: Wer die Karte ausgegeben hat, wird in der Kreditkartennummer codiert, sodass man sich die oft als Auswahlbox umgesetzte Eingabebox sparen kann. Dadurch kann man eine weitere Fehlerquelle vermeiden.
Dieser Mythos hat sich also bestätigt.

  • Pauschale Thesen treffen immer zu

Pauschale Thesen haben einen großen Vorteil: Sie sind immer irgendwie richtig, auch wenn sie nicht immer zutreffen müssen. Wie die Beispiele illustrieren, kann man pauschalen Aussagen zwar trauen, aber man kann sie nicht immer übertragen. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Die Thesen können jedoch als Indikator angesehen werden und in jedem Fall sind sie ein Hinweis auf Optimierungspotenzial.

  • Was bei Amazon funktioniert, klappt überall

Amazon gilt im E-Commerce als Vorbild Nummer eins, schließlich macht der Konzern richtig viel Geld mit dem Vertrieb von allen möglichen Waren und Dienstleistungen weltweit. Amazon hat aber aus Usability-Sicht auch einige Bugs, die einem kleinen Shop auf die Füße fallen können. Allein das Kategoriensystem von Amazon ist suboptimal und lädt nicht unbedingt zum Stöbern ein. Die meisten Sales erntet Amazon jedoch über die Google-Suche oder die eigene Suchfunktion.

Auch bei der Konfiguration von Produkten, die es in verschiedenen Ausführungen gibt, sammelt Amazon nicht gerade Pluspunkte in der Benutzerfreundlichkeit. Ähnlich sieht es bei Produktvergleichen aus. Der Checkout ist im Prinzip nicht schlecht, kann aber auch zu Verwirrungen führen. Vor allem dass der Nutzer nicht zu einzelnen Schritten im Checkout zurückspringen kann, nervt, denn dann bleibt nur der komplette Abbruch des Kaufvorgangs indem man das Browserfenster schließt.

Egal wie unpraktisch eine Amazon-Funktion gestaltet ist, der Konzern kann es sich leisten, denn Amazon hat eine vertrauensvolle Brand, oft günstige Preise, eine schnelle Lieferung und eine gute Warenverfügbarkeit und ist in den Suchmaschinen sehr prominent. In der Summe wollen die User bei Amazon kaufen und da sind sie toleranter als bei den meisten anderen Shops.

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